Humboldt-Universität zu Berlin
Juristische Fakultät

Unter den Linden 6
10099 Berlin

Prof. Dr. Gerhard Werle
Tel. + 49 30/2093-3326
gerhard.werle(at)rewi.hu-berlin.de

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Projektbeschreibung

Über die strafrechtliche Verfolgung der DDR-Systemkriminalität wird in der Öffentlichkeit über zwei Jahrzehnte nach Herstellung der staatlichen Einheit unverändert kontrovers diskutiert. Die Reaktionen auf die Tätigkeit der Justiz decken das gesamte Meinungsspektrum ab. Sie reichen von Enttäuschung über einen zu milden Umgang mit Funktionsträgern der DDR bis hin zum Vorwurf der "Siegerjustiz".

In dieser Situation schien eine kritische wissenschaftliche Begleitung der strafrechtlichen Reaktionen auf die DDR-Vergangenheit notwendig. Denn die Strafprozesse und ihre gesellschaftliche Wahrnehmung sind für das Verhältnis vieler Bürger zum Rechtsstaat prägend. Nach wie vor stand in Frage, ob der Rechtsstaat eine adäquate Antwort auf die Systemkriminalität in der DDR gefunden hat.

Das Projekt untersuchte den strafrechtlichen Umgang mit der DDR-Vergangenheit aus juristischer und zeitgeschichtlicher Perspektive. In juristischer Hinsicht war zu klären und zu bewerten, wie sich die Justiz innerhalb des vorgegebenen rechtlichen Rahmens verhält. Das zeitgeschichtliche Interesse galt insbesondere dem historischen Wert der in den Verfahren festgestellten Sachverhalte.

Die Materialbasis des Projekts war denkbar breit: Die relevanten Verfahrensmaterialien aus den einschlägigen Prozessen - neben Urteilen vor allem Anklageschriften, gerichtliche Beschlüsse und Revisionsbegründungsschriften - standen zur Verfügung. Den Zugang gewährleistete eine Kooperationsvereinbarung mit den Justizbehörden der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, in der auch den Belangen des Datenschutzes Rechnung getragen wurde.

Berlin schien für das Projekt der ideale Standort. Die zentralen Ermittlungen und die wesentlichen Strafverfahren zur sog. Regierungskriminalität der DDR fanden hier statt. Eine Durchführung des Projekts an der Humboldt-Universität drängte sich auf. Die erneuerte Juristische Fakultät der Humboldt-Universität hatte angesichts der Staatsnähe der früheren Sektion Rechtswissenschaft besonderen Anlass, sich mit der juristischen Verarbeitung der DDR-Vergangenheit zu befassen.

Das von der VolkswagenStiftung finanzierte Projekt war auf fünf Jahre angelegt. Die Förderung hierfür umfasste Personalmittel für wissenschaftliche Mitarbeiter und Hilfskräfte sowie Promotionsstipendien. Neben den Dissertationen ist die Herausgabe einer Dokumentation der Strafverfahren in mehreren Bänden ein Ergebnis des Projekts. Die 1998 begonnene zweite Projektphase diente der Einordnung der aktuellen deutschen Erfahrungen in einen historischen und internationalen Zusammenhang. Zum einen wurde ein Vergleich mit den justiziellen Reaktionen auf die nationalsozialistischen Verbrechen durchgeführt. Zum anderen sollte ein internationaler Vergleich die Besonderheiten der deutschen Lösung hervortreten lassen und neue Ansätze für eine Bewertung dieser Lösung bieten.

Von 1993 bis 2010 leiteten die Professoren Klaus Marxen und Gerhard Werle gemeinsam das Projekt. Seit 2010 hat Professor Werle die Projektleitung inne. Klaus Marxen und Gerhard Werle haben auf dem Gebiet der Zeitgeschichte des Rechts umfangreich publiziert und verfügen über einschlägige Projekterfahrungen.

 

letzte Änderung: Montag, 07. November 2011